Mittwoch, 22. Mai 2013

das Hochzeitskleid-Projekt


Als meine jüngste Tochter Johanna den Heiratsantrag ihres Liebsten annahm, begann sie fast zeitgleich ein passendes Hochzeitskleid zu suchen. Nach einiger Recherche entschied sie sich gegen einen Internetkauf und eigentlich war für sie ziemlich schnell klar: Mama (das bin ich) näht mein Kleid.
Ich fühlte mich geehrt, aber ein bisschen Bammel hatte ich schon.
Ich will es gleich vorwegnehmen: das Kleid ist ganz wundervoll geworden, mein Kind war superzufrieden, sie sah hinreißend darin aus und vor allem: sie fühlte sich offenbar den ganzen Tag pudelwohl darin.

Aber bis dahin war es ein weiter Weg.
Zuerst einmal schleppte ich mein Kind in ein Brautmodengeschäft in Freiburg. DAS war mal spannend!


Laden betreten - erst mal vom Angebot erschlagen werden - rundum Zentner an Plastikrüschen und reihenweise aufgeblasenene Korsett-Dekoltees - planloseses Herumirren, bis endlich eine kritisch dreinblickende Dame auf un zusteuert. Was denn unser Begehr sei, aha, ein Hochzeitskleid (brillant erkannt -  wir wollten tatsächlich keinen Dampfstrahler!) Johanna erklärt ungefähr, was sie sich so vorgestellt hat, die Dame macht uns noch darauf aufmerksam, dass wir bitte keine Kleider anfassen sollen und zieht dann drei Kleider hervor - die NICHTS, aber auch GARNICHTS mit Johannas Vorstellungen zu tun haben. Auch unsere Ratlosigkeit macht es nicht besser, sie weist uns nur noch darauf hin, dass wir, 6 Monate vor der Hochzeit, ziemlich spät dran wären, drückt uns zwei Prospekte in die Hand und meint, da könnten wir uns ja dann was raussuchen, das müsse man dann bestellen und so weiter...
Ich war sprachlos! (und das will was heißen!), Johanna hatte längst die Augenbrauen hochgezogen, immer ein untrügliches Zeichen für ihre Missbilligung.
Zeitgleich saß eine Mutter-Schwester-Freundin-Tanten-Armada auf einer Chippendale Chaiselonge, vor sich Sektgläser und Teller mit Gebäck und bewunderte mit entzücktem Gequietsche eine dralle Mops-Matrone, umgeben von 114 Meter Tüllrüschen.(Wahrscheinlich hat die eine Hälfte gedacht: zum Glück sieht die so blöd aus, DAS kann ich bei MEINER Hochzeit aber besser, während die andere Hälfte wahrscheinlich gerade dahinschmolz vor Rührung oder Erleichterung, dass die Tochter/Schwester/Freundin endlich unter die Haube kommt)
In diesem Moment ergriffen wir die Flucht.
Naja ich gebe es zu, Johanna wollte von Anfang an nicht da rein, aber ich konnte es nicht lassen. Ich dachte, da könne frau sich ja mal umschauen, ein paar Anregungen holen. Dachte ich. Auf jeden Fall weiß ich jetzt, wie diese Hochzeitskleid-Abzocke funktioniert: man lässt die heiratswillige Dame nebst zugehörigen Beraterinnen erst mal einen Termin machen. Wahrscheinlich mit dem "ach-da-müssen-wir-mal-sehn-ob-wir-noch-was-frei-haben-Blick". Dann dürfen die Damen eine satte Beratungsgebühr abdrücken, dafür werden sie mit Sekt abgefüllt, mit süßen Keksen vor Unterzucker bewahrt, die Braut wird so lange in Glitter und Blingbling gepackt, bis niemand mehr den Mut hat, ohne Kaufentscheidung das Geschäft zu verlassen.
Bah!
Ich war überzeugt.
Johanna machte sich auf die Suche nach passenden Schnittmustern und suchte sich zwei Schnitt aus:
Simplicity 7443
 Von diesem Schnitt sollte es aber nur das Oberteil mit den schmalen Trägern werden (aber nicht über kreuz) und die geraffte Taillenpartie, außerdem wollten wir das Bolero verwenden, allerdings abgewandelt...
Der zweite Schnitt war der Butterick B5779

 Von diesem Schnitt wollten wir den Rock mit der langen Schärpe verwenden und für das Bolero die Ärmel mit den Spitzen
So weit der Plan.
Am Schluss haben wir das geraffte Taillenteil doch nicht übernommen, sondern diese Partie ganz schlicht glatt gehalten. Das Bolero wollte sie kürzer und ohne die gepufften Ärmel, dafür sollte an den Abschluss eine akkurat gefaltete Rüsche.
Insgesamt wurde das Kleid sehr schlicht und elegant und ich kann nur sagen, es hat in jedem Stich meine Tochter wiedergespiegelt.
Johanna hat selber sehr viel gemacht, sie hat die Schnittmuster aus- und den Stoff zugeschnitten. Dafür war ich ihr sehr dankbar. Das eine kann ich nicht leiden und weil der Stoff so teuer war, hatte ich vor dem zuschneiden richtig, richtig Schiss. Der Stoff war ein wunderschöner Brokat aus reiner Seide, der sich traumhaft verarbeiten ließ. Schließlich habe ich noch eine kleine Schleife an die Schleppe genhäht, mit der sie hochgerafft werden konnte, so dass Johanna sich freier bewegen konnte, nachdem der offizielle Teil vorüber war.
Werkstatt



So ein kleiner Tisch ist Gold wert. Muss sich die alte Mama nicht so bücken.

Ein kleiner Reifen, den ich direkt in das Futter eingearbeitet habe, sorgte für bescheidene Weite. Das erleichterte Johanna das unfallfreie Schreiten.


Die Popo-Raffung. Später haben wir sie noch etwas hochgesetzt, damit das Kleid noch weniger auf dem Boden schleift.

Ich will garnicht auflisten, welche Pannen uns alles passiert sind. Nichts wirklich dramatisches, aber manchmal war es schon aufregend - z.B. als ich merkte, dass die rosa Schneiderkreide an zwei Stellen durchschimmerte und sich nicht wieder entfernen ließ... Außerdem hatte ich noch niemals einen verdeckten Reißverschluss eingenäht und meine Überlegung war: in der Kirche haben die Gäste viel Zeit um der Braut auf den Rücken zu schauen... Oder als sie das Bolero anprobierte und es stellte sich heraus, der rechte Ärmel ist zu eng. He, hallo! Wie das? Sie ist Linkshänderin und die Ärmel waren auf jeden Fall identisch!
Die vielen Stunden, die wir gemeinsam an dem Kleid gearbeitet haben, waren für mich eine unvergesslich schöne Zeit, ich möchte keine Minute davon missen!
Ich wünschte, meine "Große" würde mich auch bitten, ihr bei ihrem Hochzeitskleid zu helfen! Ich wäre sofort dabei.

4 Kommentare:

  1. Hui. *großeaugenmach*
    Also erstmal Herzlichen Glückwunsch den Frischvermälten!
    Da hast du aber ein sehr elegantens Ensemble gezaubert. Die Mühe hat sich echt gelohnt.
    Und das hätte es ja so eh nie zu kaufen gegeben.

    Aus reiner Unterhaltungssicht find ich es aber toll, dass ihr doch in einem Brautmodengeschäft wart ("brillant erkannt - wir wollten tatsächlich keinen Dampfstrahler!")! :D

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    ein klasse Ergebnis, wie immer bei Dir - ich gratuliere Deiner Dottir zu ihrer großartigen (und fast freiwillig opferbereiten, in verschiedener Hinsicht) Maman :-)

    Liebe Grüße
    Doc

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  4. auf der Suche nach einem genähten Simplicity Keid 7343 bin ich auf deinem Blog gestoßen, "Euer Brautkleid" ist Traumhaft schön geworden!
    Ich hoffe, dass das Abiabschlussballkleid für meine Tochter auch so gut gelingt,
    kreative Grüße,
    Sabine

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